Festival Review 2019

Altzella, wohin geht die Reise? Internationales Blues- & Rockfestival vor einer Zäsur? Das „Internationale Blues- & Rockfestival Altzella“ fand Himmelfahrt 2019 bei schönstem Festivalwetter statt und etwa 4.000 Gäste fühlten sich an den beiden Veranstaltungstagen in entspanntem Ambiente bei sensationeller, handgemachter Musik bestens unterhalten.

Die Frau im roten Kleid tanzt. Sie tanzt, bis sie erschöpft zusammenbricht, die langen Haare kleben ihr am verschwitzten Gesicht. Sie schaut zu Boden, zieht sich dann die Schuhe von den nackten Füßen und stellt sie vorsichtig neben sich. Die langen Beine winkelt sie elegant an, als ob sie eine Kunstschwimmerin ist, die im Takt der Musik zierliche Figuren auf der Oberfläche des Wassers zaubert. Sielächelt und lauscht der Musik ihrer Band. Ihr Blick träumt dem Gitarristen zu, der jetzt am Bühnenrand steht und seine Riffs in die große Scheune von Altzella direkt über die Menschen im Publikum peitscht. Endlos spielt er, steigert sich in die Läufe hinein, seine Gitarre jault und kreischt, die Hooks sitzen, die Lines umgarnen die Menschen.

Was heißt schon „Hauptact“?

Die beiden sind Amandyn Roses und Christian Fabert von der französischen Bluesband „Rosedale“ Die Band ist Höhepunkt und Newcomer zugleich beim 17. Internationalen Blues- & Rockfestival Altzella, das zu Himmelfahrt 2019 im Kloster Altzella stattfand. Newcomer deshalb, weil es doch immer noch etwas ungewöhnlich ist, eine Bluesband aus Frankreich spielen zu hören.  Aber Rosedale zeigen, dass Musik keine Grenzen kennt und der Blues sich um guten Nachwuchs keine Sorge zu machen braucht. Dabei hatten sie es nicht wirklich einfach. Denn direkt vor ihnen spielte Big Joe Stolle mit der Zenit-Bluesband, eine Legende und sicherlich bei vielen gestandenen Bluesfans  der eigentliche Hauptact des Festivals. Doch was heißt das schon: „Hauptact“? Noch dazu bei einem Festival, bei dem die Nachwuchsförderung eine wichtige Rolle spielt.

Bei all den guten Musikern, ob Henry Heggen & Bluesrudy, Kim’s Funky Corporation, Pugsley Buzzard und Micha Maass, Trouble Ahead, Seau Volant, Deep in Moon, The Valley, Kees Shipper, Hot’n Nasty, Lutz Kowalewsky und Motor Funk ist es irgendwann eh egal, wer jetzt eigentlich Headliner ist, denn die Qualität ist durchgehend gut und umwerfend.

Eine Band, wie Keegan McInroe sie um sich versammelt hat, hätte in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts das Prädikat „Supergroup“ bekommen. Mit Ben Forrester an der Gitarre, Hendrik Herder am Bass und Florian Eschelor an der Mundharmonika besteht die Band aus jungen Musikern, die der Mittelsäschsische Jugend- und Kulturverein bereits seit einigen Jahren begleitet und ihnen immer wieder Auftrittsmöglichkeiten organisiert und verschafft. Ein Netzwerk ist entstanden, das beiden hilft: dem Festival und den Musikern.

Altzella, wohin geht die Reise?

Es ist irritierend, vor allem, wenn man mitten in dem gewaltigen Projekt steckt. Es läuft alles rund, kaum Ecken und Kanten, die in den Anfangsjahren des Festivals noch für viele schlaflose Nächte gesorgt hätten. Der „harte Kern“ der Organisatoren, etwa 15 Vereinsmitglieder kennt die Herausforderungen und ist gewappnet. Die Maschine läuft und souverän jongliert das Organisationsteam auch mit den kleineren und größeren Herausforderungen in der Vorbereitung, etwa wenn unerwartet einer der finanziellen Unterstützer die diesjährige Unterstützung dann doch nicht gibt – „wir schaukeln das!“. Das funktioniert nur, wenn das Team sich auf einander verlassen kann. Mehr als 70 Helfer finden sich jährlich, die dann in der Festivalwoche vor Ort mit anfassen und den Wahnsinn wuppen – Respekt.

Den zollt auch einer der wichtigsten Unterstützer des Festivals: der Nossner Bürgermeister Uwe Anke. Er und die Stadtverwaltung Nossen stehen seit mehreren Jahren als starker Partner hinter dem Festival. Gemeinsam mit dem Vereinsvorsitzenden Erik Weichhold und der Betreuerin des Kulturforums, Claudia Willgart begrüßt er die Gäste des Festivals bei bestem Festivalwetter.

Wohin geht die Reise?

Doch es ist wie immer: beständig ist nur die Veränderung. Mit Blick auf die einerseits große Nachfrage und stetig wachsenden Besuchszahlen und andererseits den Willen, das Festival unbedingt im nicht-kommerziellen, gemütlichen Rahmen zu belassen steht nun langsam eine Frage im Raum, die man auch mit genialem Krach nicht ignorieren kann: Altzella, wohin geht die Reise? Wie geht es weiter mit Deutschlands gemütlichstem Bluesfestival? Soll das Fest doch weiter wachsen und größer werden? Oder müssen die Organisatoren bewusst kleiner denken? Oder sollte gar ein ganz anderes Ticket-Verkaufs-Konzept entwickelt werden, also exklusiv verkauft werden – wer zuerst kommt, mahlt zuerst? Wie auch immer, ein nächstes Festival wird es geben, das steht fest. Himmelfahrt, am 20. und 21. Mai 2020 ist es wieder soweit. Wer dann mit wem und in welcher Form? – das steht in den Sternen. Fest steht: alles bleibt anders.

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