Die Trübsal des Eismannes

Rückblick 12. Internationales Blues & Rock Festival 29.-30. Mai 2014

Trotz Regen und kalten Temperaturen: frisches Blut pulsiert auf dem 12. Blues & Rock Festival Altzella im Blues-Takt – und mehr als tausend Gäste tanzen und feiern mit.

Er blickt aus seinem Auto heraus, als würde jemand vor seinen Augen eine Ladung Kuscheltiere ersäufen. Für ihn ist dieser Tag eine traurige Angelegenheit. Doch er hält durch. Das ist er sich und den Festivalmachern schuldig. Er ist loyal, ein dufter Typ und er verkauft das beste Eis in der Gegend. Der Eismann auf dem 12. Internationalen Blues & Rock Festival Altzella am vergangenen Himmelfahrtstag hat nicht viel zu lachen.Regen, Regen, Regen. Bei Temperaturen um etwa 13 Grad zieht kein charmantes Schoko, sexy Stracciatella oder verführerisches Erdbeereis viel Aufmerksamkeit auf seinen bunten Wagen, egal wie aufreizend sie sich auch in ihren Schalen räkeln und präsentieren. Die Eisfahne schlabbert lustlos im Regen.

Der Eismann muss bitter zuschauen, wie mehr als tausend Gäste in der großen Scheune von Altzella mit glänzenden Augen tanzen, jubeln, schreien, außer sich geraten. Er sitzt in seinem Wagen, draußen im Regen und hält die Stellung. Sollen sie doch feiern, sollen sie schreien, sollen sie doch alle denken, dass dies eines der coolsten Festivals überhaupt ist. Seine Stunde wird schlagen, wenn die Sonne brennt und die Menschen zu schwitzen beginnen, so wie sie es jetzt drinnen in der Scheune tun.

Da spielt gerade eines der Urgesteine dieses Festivals: Kees Schipper und seine Band „Bemanning". Kees Schipper ist ein gestandener Bluesmann. Er muss nur ein Wort mit seiner Reibeisenstimme sprechen und schon erzählt er die Geschichte vom Blues, vom ganzen Elend dieser Welt. Musik ist für ihn Klage und Therapie in einem. Wenn Kees Schipper auf der Bühne steht, ist er in einer anderen Welt, und sein Publikum nimmt er dahin mit – es folgt hingerissen.

Schön und gut, sagt sich der Eismann und schenkt sich noch eine Tasse heißen Tee aus seiner Thermoskanne ein. Aber wo sind die jungen? Wo sind die jungen Bluesleute? Wer führt denn diese ganze Tradition weiter? Blues ist doch keine Musik für junge Leute mehr, oder?

Da irrt der Eismann. Gerade hier, im ehrwürdigen Altzella zeigt der Blues, dass er wieder auferstanden ist und lebendiger denn je. Die jungen Bluesbarden sind zum Beispiel Mike Seeber, Black Kat & Kitten, Schneider-Schwarznau-M8, The Double Vision oder auch – ganz der Papa - der junge Maximilian Blume. Der baut hier in Altzella eine denkwürdige Brücke. Gemeinsam mit seinem Vater Alexander Blume und dem legendären Bluesharper Bernd Kleinow – beide einst Mitglieder von Stefan Diestelmanns Bluesband – spielt er ein Konzert mit alten Hits von Diestelmann – ein Revival exklusiv für die Gäste in Altzella. Mike Seeber und seine Bandkollegen stürmen auf die Bühne wie Piraten auf ein Schiff und setzen die Segel bei vollem Wind. Sie feuern Klassiker wie „Manic Depression" von Jimi Hendrix aus vollen Rohren und zeigen mit eigenen Songs dem Blues die Richtung. Den „Spirit" aber, den fängt an diesem Tag die charismatische Sängerin Lorraine Lowe von „Black Kat & Kitten" ein. Immer wieder fischt sie mit ihrer bezaubernden Stimme und wehenden Armen nach der „good energy". Die Leute in Altzella lieben sie von der ersten Sekunde an.

Der Eismann in seinem Wagen wickelt sich in seinen dicken Schafwollschal und zieht den Mantel etwas fester um die Schultern. Leise tippt sein Fuß im stampfenden Rhythmus der Musik von „Schneider-Schwarznau-M8" und er kommt nicht umhin, festzustellen, dass hier in Altzella das frische Blut im Blues -Takt pulsiert. Um den Nachwuchs für den Blues muss man sich nicht sorgen. Die WakeWoods, Footsteps, Henrik Freischladers oder Mike Seebers dieser Welt tragen ihn weiter in die Welt und sorgen dafür, dass auch junge Menschen nie genug vom Blues bekommen können.

Das ist wie mit dem Eis, denkt sich der Eismann und freut sich auf die Sommersonne. Er denkt an eine Zeit, wenn die Menschen bei ihm wieder mit leuchtenden Augen Schlange stehen und nicht genug bekommen können, von seinem Eis.

FESTIVAL REVIEW