Das wichtigste beim Blues ist die Ekstase

Der MJV e.V. feiert mit über 2000 Gästen sein Festivaljubiläum.

Der Mann bewegt sich in Zeitlupe. Er läuft nicht, er schreitet, bedächtig. Wenn er steht, dann wiegt er sich im Wind, Gedanken fließen über sein Gesicht. Sein Minenspiel passt er seinen langsamen Bewegungen an, er schaut stets freundlich, aber selbst ein Lächeln setzt er nur mit Bedacht und sparsam ein, nicht zu viel, nicht zu wenig.

Sein wettergegerbtes Gesicht, seine gesamte Kluft sieht aus, als käme er direkt von einem alten Schoner, der nach langer Fahrt auf hoher See im Hamburger Hafen angelegt hat. Er steht auf der kleinen Freilichtbühne des Blues- und Rockfestivals Altzella und baut sein Gitarren-Equipment auf. Eine alte, vergilbte Klampfe, ein Mini-Röhrenverstärker und ein kleines Köfferchen voller Effektpedale. Mit rauchiger Stimme nuschelt er: „Das wichtigste beim Blues ist die Ekstase – wenn ihr also bitte so freundlich wäret…“ Das Publikum ist so freundlich.

Blues & Rock Festival 2012Es geschieht das Unerwartete: der kleine Verstärker und die vergilbte Klampfe machen einen Höllenlärm, tief grummeln die Bässe, scharf kratzen die Mitten und die Bühnenanlage hat ihre liebe Mühe, diesen Sound irgendwie zu beherrschen. Und dann rollt er los, der Blues. Der Mann heißt Abi Wallenstein, eine von Deutschlands letzten Blueslegenden. Seinen Auftritt kann man nur mit einem Wort beschreiben: lässig.

Blues & Rock Festival 2012Gemeinsam mit Steve Baker, Bluesharpspieler der Meisterklasse und Martin Röttger am Cajon hat Wallenstein das Trio „Blues Culture“ gegründet. Sie spielten am Himmelfahrtstag zwei Sets in Altzella, eins draußen auf der Freilichtbühne und eins drinnen in der gigantischen Scheune. Weitere Legenden der heimischen Blueszene standen auf dem Programm. Lutz „Kowa“ Kowalewski mit Tim Cross, Coleman Broaddust und Bernd Kleinow erkämpften sich das gute Wetter - am Himmelfahrtsmorgen war es noch sage und schreibe vier magere Plusgrade kalt - abends dann herrschte bestes Frühlingswetter, als Engerling, die Kultband rund um Wolfram „Boddi“ Bodag in der zum Bersten gefüllten Scheune spielten.

Blues & Rock Festival 2012Kees Schipper, Kims Funky Corporation, Mothers Best, Coffeeshop, The Wake Woods… die Bands, die auf dem Programm des diesjährigen Festivals standen waren kein Durchschnitt, sie waren Spitzenklasse! Sogar die Newcomer lieferten durchweg hohe Qualität und waren spielerisch sehr gut drauf. Die über zweitausend Besucher des Festivals dankten es mit guter Stimmung und viel Applaus.

Das Festival war auch zum zehnten Jubiläum wieder das Ergebnis von jeder Menge ehrenamtlichem Engagement und fleißiger Handarbeit durch den Mittelsächsischen Jugendverein e.V. (MJV), dem Offenen Haus in Lommatzsch und vielen weiteren Helfern und Unterstützern.

BuR Altzella 2012 by KF 4 1Der MJV engagiert sich bereits seit etwa zwanzig Jahren für die musische und kulturelle Bildung von Kindern und Jugendlichen. Dafür organisiert er Proberäume, Workshops, Jugendbegegnungen und eben Konzerte und Festivals. Im Umkreis des Vereins sind schon mehrere Bands entstanden, viele davon sind wieder verschwunden, aber einige halten und entwickeln sich. „Coffeeshop“ ist so eine Band, die sich im harten Musikeralltag behauptet und sich erfreulich selbstbewusst weiterentwickelt. Sie beschlossen den ersten Festivaltag mit einem erfrischend dynamischen Auftritt.

Blues & Rock Festival 2012Der Freitag gehörte den Newcomern und war mit „Peter und die Wölfe“, „Footsteps“, „Nevamind“, „Marie Riot“, und schließlich „The Wake Woods“ so niveauvoll wie noch nie in der Geschichte des Festivals. The Wake Woods spielten bereits im letzten Jahr in Altzella und waren ein krönender Abschluss. Hie und da wurden zwar die Tanzbeine nach zwei tollen Tagen etwas müde, aber besser als mit dem dynamischen Bluesrock von The Wake Woods kann man auf so einem Festival nicht „Auf Wiedersehen!“ sagen.

FESTIVAL REVIEW